VON MARTINA KELLER-ULLRICH
Wenn der Unternehmer gemeinsam mit seiner Frau den Laden schmeißt, dreht sich schnell auch in der Freizeit alles um die Firma. PROFIT hat bei Unternehmerpaaren nachgefragt, wie sie Tagesgeschäft und Unternehmensstrategien aus dem Wohnzimmer heraushalten – oder ob auch daheim nie wirklich Feierabend ist.
Endlich abschalten! Am Wochenende die Seele baumeln lassen, über die Feiertage neue Kraft tanken. So lautet der Plan, doch häufig bleibt es bei den guten Vorsätzen und die Praxis sieht ganz anders aus. Nur „dieses“ Wochenende muss dringend noch etwas Schriftkram erledigt, ein unaufschiebbares Telefonat geführt und ein Abstecher ins Büro gemacht werden. Die Liste ist lang und jeder, der keinen „Nine-to-five Job“ hat, weiß, wie schwer es ist, sich wirklich freie Zeit zu nehmen. Doch diese ist nicht nur wichtig, um die Batterien aufzuladen für neue berufliche Ideen, sondern auch, um sich um sich selbst, um Partner, Familie oder Freunde zu kümmern.
Noch schwieriger ist die Gratwanderung zwischen Arbeits- und Privatleben für Paare, die gemeinsam ein Unternehmen führen. Ein Patentrezept, wie dies gelingen kann, gibt es nicht – dafür aber einige gute Beispiele.
Wer erfolgreich mit seinem Partner zusammenarbeiten will, müsse vor allem sich selbst kennen, sagt Uta Simmler (35). Die promovierte Betriebswirtschaftlerin und ihr Ehemann Norbert Münch (41), ein Diplom-Wirtschaftsinformatiker, haben sich im Studium kennen gelernt und danach in verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Dass sie einmal in das Familienunternehmen Simmler Konfitüren in Lauchringen einsteigen würden, war für beide kein Thema. Doch als Uta Simmlers Vater seinen 60. Geburtstag feierte, stellte sich die Frage der Nachfolge. Für Uta Simmler war bei der Überlegung, ob sie die Nachfolge antreten möchte, eines klar: „Wenn wir es machen, dann zu zweit.“
Der Job schweißt zusammen
Nun sind die Ehepartner seit fünf Jahren gleichgestellte Geschäftsführer. Sie kümmert sich um Vertrieb und Marketing, er um Produktion und Abläufe, Datenverarbeitung, Verwaltung und Einkauf. Die getrennten Verantwortungsbereiche seien sehr wichtig, erklärt Uta Simmler. Und auch etwas räumliche Distanz bringe Vorteile. So teilt sich das Ehepaar beispielsweise kein gemeinsames Büro. Ja, die beiden Räume liegen noch nicht einmal nebeneinander.
Insgesamt wirke die gemeinsame Arbeit, das gemeinsame Ziel stark verbindend auf die Partnerschaft, finden die beiden. Für das Unternehmen bringe wiederum das große Vertrauen und die Offenheit zwischen Ehepartnern viele Vorteile.
Doch selbst wenn es harmonisch zugeht am Arbeitsplatz, braucht es ab und an auch Privatleben und andere Themen als die Firma. Im Hause Simmler/Münch gibt es darum klare Vereinbarungen: „Zu Hause sprechen wir nicht übers Unternehmen oder nur mit Erlaubnis des anderen,“ sagt Uta Simmler. Denn wenn einer anfängt vom Geschäft zu reden, ist beim anderen, der vielleicht gerade angefangen hat, sich zu entspannen, sofort die Arbeit wieder präsent.
Es sei wichtig, nicht nur übers Geschäft zu reden, sagt auch Kornelia Seiler, Coach für Familienunternehmen aus Konstanz. Doch klare Verabredungen empfinden viele Unternehmerpaare als künstlich. Hilfreich sind sie dennoch, auch, wenn sie nur ermöglichen, dass während des Essens Zeit für andere Themen bleibt.
Auch bei Simmler/Münch bedeutet die Vereinbarung nicht, dass am Wochenende überhaupt nicht über Geschäftliches geredet wird. Beispielsweise beim Spazierengehen oder Autofahren entwickeln die beiden gerne neue Ideen. „Nur zu Hause, da wollen wir privat sein,“ sagt Norbert Münch. Darum schätzen beide auch die räumliche Distanz zwischen Unternehmen und Wohnhaus.
Uta Simmler und Norbert Münch pflegen einen gemeinsamen Bekanntenkreis aber auch eigene Freunde. Während Uta Simmler sich bei Spaziergängen mit Hund Kimba oder Qigong entspannt, nimmt sich Norbert Münch auch mal Zeit für Sport. Jedenfalls versuchen sie, auch wenn die Freizeit knapp ist, diese intensiv zu nutzen.
In Zeiten besonderer Belastung brauche es eine Pause als Perspektive, sagt Uta Simmler. Nach einer EDV-Umstellung und dem 75-jährigen Firmenjubiläum gönnen sich die beiden jetzt kurzentschlossen vier Tage Wellness-Urlaub in dem Hotel, in dem sie geheiratet haben.
Abschalten auf dem Heimweg
Der Abstand zwischen Arbeit und Wohnen ist auch für Renate und Thomas Hummel (50 und 53 Jahre), die eine erwachsene Tochter haben, ein wichtiger Aspekt. Zwischen Betrieb und Wohnhaus liegen bei ihnen sechs Kilometer, das hilft beim Abschalten. „Wenn die Türe zu ist, dann ist Feierabend,“ sagt Thomas Hummel. Auch während der Mahlzeiten ist das Geschäft für beide tabu.
Gemeinsam haben der Zimmerermeister und seine Ehefrau vor 25 Jahren beschlossen, mit Holzbau Hummel in Heiligenberg den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Durch die Zusammenarbeit könnten sie sich in stressigen Zeiten gegenseitig aufbauen, sagt Renate Hummel. Und auch Ehemann Thomas findet, dass die Vorteile die Nachteile bei weitem überwiegen. Die größte Belastung sei auch nicht, dass Berufs- und Privatleben nicht immer scharf getrennt werden könnten, sondern vielmehr die ständig wachsende Flut von Vorschriften und Bürokratie, die bewältigt werden müsse, sagt Renate Hummel.
Maryan und Thomas Mehlhorn (59) führen nicht nur seit 31 Jahren gemeinsam ein Unternehmen, die Maryan Beachwear Group mit Sitz in Murg. Sie haben in dieser Zeit auch noch drei Kinder großgezogen. Selbst jetzt, wo die Kinder erwachsen sind, empfinden sie die Zusammenarbeit nicht als belastend sondern eher als Ansporn, versichern beide. Die gemeinsamen Ziele machen auch die Partnerschaft stark. Es brauche allerdings ein hohes Maß an Toleranz und Respekt vor dem Freiraum des anderen. „Man muss auch den anderen mal nach vorne treten lassen,“ sagt Thomas Mehlhorn, der als geschäftsführender Gesellschafter für Finanzen, Vertrieb und Marketing zuständig ist. „Es ist ein Geben und Nehmen,“ ergänzt Maryan Mehlhorn (55), ebenfalls geschäftsführende Gesellschafterin und als Chef-Designerin verantwortlich für Kreation, Produktion, Werbung und Fotoproduktionen.
Bei aller Gemeinsamkeit ist aber auch dem Unternehmerpaar Mehlhorn ein wenig Abstand wichtig. So ist jeder für seinen eigenen Bereich verantwortlich und auch ihre Büros liegen räumlich weit auseinander. Dafür wohnt die Familie unmittelbar neben dem Unternehmen. Zwar könne man bei räumlicher Distanz besser abschalten, finden die beiden, doch während die Kinder noch klein waren, hatte diese Lösung einfach viele Vorteile.
Feste Absprachen gibt es im Hause Mehlhorn nicht, denn bei drei Kindern im Hause war klar, dass diese in der Freizeit im Mittelpunkt stehen. Negative Erfahrungen mit dem Familienunternehmen haben die Kinder wohl nicht gemacht, denn seit 2007 arbeitet Maya Mehlhorn, eine der beiden Zwillingstöchter, ebenfalls im Unternehmen.
Urlaub ist Urlaub
Während Thomas Mehlhorn etwas länger zum Abschalten braucht, ist Ehefrau Maryan stets voll präsent, wo sie gerade gefordert ist. „Ich kann sehr schnell umschalten,“ sagt sie. Während zu Hause das Familienleben im Vordergrund steht, nutzt das Ehepaar gemeinsame Spaziergänge oder Autofahrten gerne um auch einmal „kreuz und quer zu denken“ und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Im Urlaub dagegen reden sie auch mal zwei Wochen lang überhaupt nicht übers Geschäft, versichern die beiden.
Ein ganz wichtiger Aspekt für das gute Gelingen einer Zusammenarbeit sei die Entwicklung eines Unternehmens. „Bei einer florierenden Firma ist es viel einfacher. Finanzielle Sorgen wären eine große Belastung“, können sich die beiden vorstellen.
Die privaten Pflichten, als die Kinder noch klein waren, haben Maryan und Thomas Mehlhorn stets geteilt. „Das war die Rush-hour des Lebens“, sagt sie. Beide erinnern sich an Situationen, als sie um Mitternacht im Unternehmen zukünftige Entwicklungen geplant haben und Maryan zwischendrin die Zwillingstöchter gestillt hat. Dagegen erscheint die heutige Arbeitsbelastung geradezu komfortabel.
Eine Situation jedenfalls gebe es bei ihnen nie, versichert Thomas Mehlhorn augenzwinkernd aber glaubhaft: „Dass wir im Restaurant sitzen und uns nichts zu sagen haben, das kommt überhaupt nicht vor.“
Erschienen in: Südkurier Pro:Fit Ausgabe 11 vom 20.12.2007